WIE STELLT MAN EINEN PREAMP RICHTIG EIN?

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WIE STELLT MAN EINEN PREAMP RICHTIG EIN?

In der letzten Folge haben wir geklärt, welche Grundfunktionen ein Mikrofonvorverstärker haben sollte.

In diesem Tutorial geht es um die korrekte Gain-Einstellung und den richtigen Einsatz von Pad-, Low-Cut- und Phasenumkehrschalter.

 

WIEVIEL GAIN?

Mikrofone haben einen enormen Dynamikumfang. Je nach Aufnahmesituation kann ihr Ausgangspegel daher sehr niedrig oder recht hoch sein. Die Grundaufgabe eines Mikrofonvorverstärkers ist es, das Ausgangssignal des Mikrofons auf Line-Pegel zu bringen.

In den meisten Anwendungen im Homestudio liegt der Ausgangspegel des Mikrofons weit unter Line-Niveau, er muss also verstärkt werden. Aber wie viel Gain ist nötig bzw. sinnvoll? Nun, das kommt ganz darauf an: Für einen lauten Rock-Sänger benötigt man natürlich weniger Gain als für einen leisen Folk-Sänger, und für eine Snare Drum muss man den Gain-Regler weniger aufdrehen als für eine Akustikgitarre. Aber auch der Aufnahmeabstand macht einen großen Unterschied. Nahmikrofonierung erfordert weniger Verstärkung als eine weiter entfernte Mikrofonposition. Und natürlich spielt auch die Mikrofonempfindlichkeit eine wichtige Rolle. Kondensatormikrofone haben gewöhnlich einen recht hohen Ausgangspegel, während dynamische Mikrofone, einschließlich Bändchen, aufgrund ihrer geringen Empfindlichkeit viel mehr Gain benötigen.

Wir haben also drei Variablen: Die Lautstärke der Schallquelle, den Mikrofonabstand und die Mikrofonempfindlichkeit. Soweit zur Theorie! In der Praxis verlässt man sich am besten auf die Pegelanzeige der Aufnahmesoftware (engl. DAW = Digital Audio Workstation). Die Pegelanzeige am Preamp sollte man nur zur groben Orientierung nutzen. Hardware-Pegelanzeigen reagieren nämlich meist zu langsam, um schnelle Pegelspitzen zu erfassen. die Pegelanzeige in der DAW ist weitaus verlässlicher, denn sie ist direkt mit den AD-Wandlern des Audio-Interfaces verkoppelt.

 

WILLKOMMEN IM DIGITALZEITALTER

Der häufigste Fehler ist, zu „laut“ aufzunehmen, d. h. den Gain-Regler zu weit aufzudrehen. Früher, als man noch mit analogem Magnetband arbeitete, nahmen die Toningenieure mit möglichst hohem Pegel auf, um einen guten Rauschabstand zu erzielen. Analoge Bandgeräte hatten nämlich stets ein gewisses Grundgeräusch, das so genannte Bandrauschen. Außerdem wurde es zur Mode, die Bandmaschine bewusst zu übersteuern, sodass die Magnetpartikel des Bandmaterials in Sättigung gerieten. Diese Bandsättigung erzeugte eine spezielle Kompression und Verzerrung, die gerade für Gitarren und Schlagzeug sehr beliebt war.

Digitale Aufnahmesysteme sind anders; es gibt weder Bandsättigung noch Bandrauschen. Folglich gibt es auch keinen guten Grund, möglichst „laut“, d. h. mit möglichst hohem Pegel aufzunehmen. Digitale Aufnahmesysteme klingen bei jedem Pegel gleich – solange man die Wandler nicht übersteuert! Im Gegensatz zu analogen Geräten, gibt es bei digitalen Aufnahmesystemen keine „Grauzone“, in der die Verzerrung allmählich ansteigt. Digitalwandler „clippen“, d. h. es kommt zu einem abrupten Übergang von völlig sauberem Klang zu starker Verzerrung, sobald der Maximalpegel überstiegen wird. Digitales Clipping sollte man unbedingt vermeiden; es klingt schrecklich!

Weil analoges und digitales Zerrverhalten ganz unterschiedlich sind, sind auch die Pegelanzeigen unterschiedlich skaliert. Bei analogen Geräten ist der Arbeitspegel mit 0 dB VU markiert, und darüber gibt es noch zusätzlichen Headroom von rund 20 dB mit allmählich ansteigender Verzerrung. Die Skala reicht somit von minus unendlich bis +20 dB VU (plus/minus ein einige Dezibel).

Die digitale Pegelanzeige in deiner Aufnahmesoftware (DAW) zeigt keinerlei Headroom oberhalb 0 dB. Sie reicht von minus unendlich bis 0 dBFS (FS steht für Full Scale). Und weil es keinen Headroom oberhalb 0 dBFS gibt, muss man selbst für genügend Sicherheitsabstand sorgen, damit auch plötzliche Signalspitzen nicht zu Wandler-Clipping führen.

Wie weit man den Gain-Regler aufdrehen sollte, ermittelt man am leichtesten über eine Testaufnahme.

Faustregel:

Dreh den Gain-Regler so weit auf, dass selbst die höchste Pegelspitze mindestens 10 dB unter Vollaussteuerung (0 dBFS) bleibt.

Dabei sollte man immer bedenken, dass die meisten Musiker bei der eigentlichen Aufnahme deutlich lauter spielen oder singen als bei einer Testaufnahme. Im Zweifelsfall sollte man daher lieber mit weniger Gain aufnehmen. Eine zu leise Aufnahme kann man später in der Aufnahmesoftware lauter machen, aber Wandler-Clipping lässt sich nie wieder ungeschehen machen.

GAIN-STRUKTUR

Viele (externe) Mikrofonvorverstärker haben mehr als einen Knopf, um den Pegel einzustellen. Neben dem Gain-Regler mag es beispielsweise noch einen Level-Regler geben. Was genau welcher Knopf bewirkt, unterscheidet sich von Modell zu Modell (hier lohnt ein Blick in die Bedienungsanleitung). Viele sehr hochwertige Preamps haben einen Stufenschalter, um die Grundverstärkung zu bestimmen, sowie einen stufenlosen Trim-Regler, um Zwischenwerte zu erreichen.

An vielen neueren Mikrofonvorverstärkern findet man neben einem Gain-Regler (als Schalter oder stufenlos) einen Output-Level-Regler, der wie ein Fader am Mischpult funktioniert, d. h. auf Linksanschlag das Signal verstummen lässt. Das ermöglicht es, analoge Verzerrung bzw. Sättigungseffekte zu erzielen, sofern man das möchte: Man dreht den Gain-Regler weiter auf als nötig, sodass die Eingangsstufe die Ausgangsstufe des Preamps übersteuert. Dann regelt man am Output-Level-Knopf den Ausgangspegel herunter, damit das nachfolgende Audio-Interface (d. h. dessen AD-Wandler) nicht clippen. So lässt sich auch im Digitalzeitalter analoger „Crunch“ erzeugen. Wünscht man dagegen ein sauberes, verzerrungsfreies Klangbild, dreht man den Output-Level-Regler weit auf und verwendet nur so viel Input-Gain wie nötig, um interne Übersteuerung zu vermeiden.

PAD-SCHALTER

In selteneren Fällen produzieren Mikrofone zu viel Ausgangspegel, d. h. man muss den Pegel reduzieren, damit die nachfolgenden Geräte nicht übersteuert werden. In diesen Fällen aktiviert man den Pad-Schalter zur Pegeldämpfung. In der Praxis wird der Pad-Schalter aber häufig falsch bzw. unnötigerweise eingesetzt.

Positioniert man beispielsweise ein Kondensatormikrofon mit hoher Empfindlichkeit (wie das Neumann TLM 102) in einer Bass Drum, kann es passieren, dass Verzerrungen zu hören sind. Aber wo entsteht diese Verzerrung? Mikrofone können übersteuert werden, aber in diesem Fall wäre es eher unwahrscheinlich, denn das TLM 102 kann enorme Schalldruckpegel von bis zu 144 dB SPL verarbeiten, ohne dass es zu hörbaren Verzerrungen kommt. Viele andere Mikrofone zerren bereits bei viel niedrigeren Pegeln (siehe dazu unser Tutorial „Was bedeutet Grenzschalldruckpegel?“). Wahrscheinlicher ist, dass die Verzerrung weiter hinten in der Signalkette entsteht, im Mikrofonvorverstärker oder im AD-Wandler/Audio-Interface.

 

So solltest du vorgehen, wenn du (unerwünschte) Verzerrungen hörst (in dieser Reihenfolge!):

 

  1. Überprüfe, dass dein Preamp nicht die AD-Wandler bzw. das Audio-Interface übersteuert. Drehe den Gain-Regler des Preamps zurück, bis keine Verzerrungen mehr zu hören sind.

  2. Sind weiterhin Verzerrungen zu hören, überprüfe, ob dein Vorverstärker übersteuert wird. Aktiviere den Pad-Schalter des Preamps; dieser verringert den Eingangspegel bereits vor der Eingangsstufe.

  3. Wenn du sicher bist, dass weder deine Wandler bzw. dein Audio-Interface noch dein Mikrofonvorverstärker die Verzerrung verursachen, aktiviere den Pad-Schalter am Mikrofon. Das Pad (dt. Vordämpfung) senkt den Pegel direkt hinter der Kapsel ab, also noch vor der Mikrofonelektronik. Das verschlechtert den Rauschabstand und kann auch die Klangqualität (geringfügig) beeinträchtigen. Den Pad-Schalter am Mikrofon sollte man daher nur betätigen, wenn es unbedingt erforderlich ist.

Viele moderne Studiomikrofone können sehr, sehr hohe Schalldrücke verarbeiten und kommen daher häufig ohne Pad-Schalter.

 

LOW CUT (HOCHPASSFILTER)

Anders als bei Pad-Schaltern, macht es beim Low Cut keinen großen Unterschied, ob man ihn am Mikrofon oder am Preamp aktiviert. In den meisten Fällen kann man die Tiefen genauso gut (bzw. sogar flexibler) in der Nachbearbeitung in der Audio-Software (DAW) absenken.

Einen Low Cut gleich bei der Aufnahme zu verwenden (d. h. am Mikrofon oder Preamp), ist immer dann sinnvoll, wenn starker Trittschall die Aufnahme ruinieren könnte. Oder auch, wenn die Bässe so sehr dröhnen, dass der Sänger bzw. Musiker sich selbst nicht differenziert hören kann. Ansonsten ist es meist besser, die Low-Cut-Schalter am Mikro und am Preamp deaktiviert zu lassen und die Tiefenwiedergabe in der DAW zu regeln.

Häufig lässt sich der Low Cut auf verschiedene Einsatzfrequenzen einstellen:

  • 30-40 Hz reduziert Trittschall unterhalb der musikalischen Information. Tiefere Signalanteile haben allenfalls Kick Drum, E- Bass, Kontrabass, Tuba und andere Bassinstrumente
  • 60-80 Hz eignet sich für Sänger und Gitarren
  • 100-120 Hz eignet sich für Sängerinnen.

PHASENUMKEHR (POLARITY)

Dieser Schalter hat keine Auswirkungen auf den Klang, er invertiert lediglich die Signalpolarität. Diese ist vor allem dann wichtig, wenn man eine Schallquelle mit mehreren Mikrofonen aufnimmt. Mikrofoniert man beispielsweise eine Snare Drum von oben und von unten, dann „blicken“ die beiden Mikros in entgegen gesetzte Richtungen. Ihre Signale wären daher gegenphasig und gemeinsame Klanganteile würden sich gegenseitig auslöschen. Das Klangergebnis wäre dementsprechend sehr dünn. Betätigt man aber den Phasenumkehrschalter für das untere Snare-Mikrofon, sind beide Signale wieder gleichphasig. Nun ergänzen sich ihre Klanganteile, und die Snare Drum klingt satt und brillant.

Auch bei Gesangsaufnahmen ist der Phasenumkehrschalter wichtig. Denn der Sänger hört seine Stimme auf zwei Wegen gleichzeitig: akustisch über die Schädelknochen und auf elektronischem Weg über den Kopfhörer. Nur wenn beide Wege (mehr oder weniger) gleichphasig sind, kann der Sänger sich optimal hören (was gute Intonation erleichtert). Den Unterschied kann man in der Tonregie nicht hören, sondern nur wenn man selbst vor dem Mikrofon steht. Daher sollte man beim Soundcheck beide Stellungen des Phasenumkehrschalters ausprobieren und den Sänger fragen, in welcher Stellung ihm der Klang voller und direkter erscheint.